Die primäre Tuberkulose des Peritoneums muß mit großer Vorsicht aufgenommen werden. Jedenfalls nimmt sie bei ihren besonderen Eigentümlichkeiten, sowohl klinisch als anatomisch, einen besonderen Platz ein. Immer wird man daran denken müssen, daß sie sekundär, vom Darme oder den Mesenterialdrüsen, dem Genitaloder uropoetischen Apparate her verschleppt wurde. Es finden sich: Tuberkulöse Darmgeschwüre allein (von Hansemann hat fünf Fälle am Erwachsenen beobachtet), solche Geschwüre mit Mesenterialdrüsen oder Peritonealtuberkulose, endlich: Mesenterialdrüsen-Tuberkulose ohne oder mit unsicherer Veränderung an der Darmschleimhaut. Minimale Narben am Darme geben uns das Verständnis für diese Form der Erkrankung und auch für die Schwierigkeit ihres Nachweises. Am Lebenden wird man aber immer diese Verhältnisse bei Vermutung einer isolierten Peritonealtuberkulose im Gedächtnisse haben müssen. Auch die Magentuberkulose ist nicht so selten, als man früher glaubte. Geipel fand sie in 18,9% seiner Fälle von Säuglingstuberkulose, darunter einmal 5 Geschwüre meist am Pylorusteile und an der kleinen Kurvatur, worauf ich mit Rücksicht auf die Einwirkung des Magensaftes ein Gewicht legen möchte. Bei dem langsamen Wachsen des Kochschen Bazillus bedarf es ja offenbar noch besonderer Bedingungen, um ihn im Magen und dem Darmtraktus zum Haften, zur Vermehrung und den weiteren Veränderungen zu bringen. Die Erkrankung war mit Ulzerationen Darme, jene an Erwachsenen mit vorgeschrittener Lungentuberkulose verbunden. am Nur der Fall von Ruge ist vollkommen beweiskräftig für primäre Tuberkulose der Magenschleimhaut. Hier wäre es vielleicht möglich gewesen durch die mikroskopische Untersuchung des Ausgeheberten und Nachweis von Bazillen die Diagnose am Lebenden zu stellen, allerdings wäre es noch unentschieden geblieben, ob eine primäre oder sekundäre Erkrankung vorlag. Trotz der tumorartigen mehr der Perlsucht entsprechenden Art des Auftretens wurde leider nicht nachgesehen, ob die Bazillen dem Typus humanus oder bovinus entsprachen. Ich habe den unteren Teil des Darmtraktes zuerst abgehandelt, weil diesem ja in bezug auf die spezifische Erkrankung die große Häufigkeit zukommt. Heute beschäftigt aber die Untersuchung des obersten Intestinaltraktes die Forscher in besonderer Weise. Bei vorgeschrittenem Leiden kommt Tuberkulose der MundRachenschleimhaut an den verschiedenen Stellen derselben bei der großen Zahl der Tuberkulosen recht häufig vor. Ich habe außer Lupus Geschwüre von der Zungenspitze an, an allen Stellen der MundRachenschleimhaut, einzeln und über den ganzen Traktus, das Zahnfleisch inbegriffen, ausgebreitet gesehen und mich bei dem immerhin seltenen Vorkommen dieser so schweren Formen gefragt, ob denselben nicht etwas Besonderes zugrunde liege. In einem von Cohn nachuntersuchten besonders schweren Falle, ließ sich nur Bazillus typus humanus nachweisen, hierin liegt also die Ursuche nicht, sondern wohl in einer größeren Widerstandslosigkeit des Individuums resp. dessen Schleimhäute. Es handelt sich hier wohl zumeist um Infektion auf hämato-lymphogenem Wege, und was als isolierte Tuberkulose erscheint, ist es meist nur anscheinend. Jedenfalls müssen besondere Schutzvorrichtungen bestehen, denn sonst müßte bei der so reichen Infektionsmöglichkeit dieser Teile die primäre Tuberkulose doch viel häufiger sein. Die Einhüllung der Bazillen im Schleim tut es allein gewiß nicht, wahrscheinlich liegt auch hier eine Koinzidenz mehrerer Fak toren vor. Tuberkelbazillen wurden sowohl in der Rachen- als Gaumentonsille sonst ganz Gesunder gefunden, Gottstein hat in 10-12% der exstirpierten adenoiden Vegetationen solche nachgewiesen. Der Befund mag sogar häufiger sein als man annimmt, ich erinnere an das gar nicht seltene Vorkommen kleinster Abszesschen mit eingedicktem Eiter in der Tonsille als Nebenbefund bei Nekropsien, die während des Lebens keinerlei Symptome gegeben hatten, und die ja verschiedene Mikroorganismen enthalten, ebenso mag unter mancher anscheinend einfacher Tonsillarhypertrophie Tuberkulose versteckt sein. Gewiß können also die genannten Gebilde Eiugangspforten für eine weitere Infektion werden, aber ausgebildete primäre Erkrankungen an Ort und Stelle selbst sind doch wieder sehr selten. von Hansemann hat unter 10000 Tuberkulosen nur einmal Tonsillartuberkulose gesehen, Geipel fand unter 6 Fällen von Tonsillartuberkulose eine, die er für primär hält. Vielleicht kommt auch kariösen Zähnen, in denen ebenfalls Bazillen gefunden wurden, eine Rolle für deren weitere Invasion zu. In sehr seltenen Fällen können die Speicheldrüsen, wie es scheint von ihrem Ausführungsgange her, primär erkranken; Gelegenheit wäre ja wieder genug gegeben. Primäre Tuberkulose des Oesophagus wurde noch nicht beobachtet, die sekundäre aber bereits am Lebenden diagnostiziert (H. v. Schrötter). Eine primäre Tuberkulose der Milz, d. h. Krankheitsbilder, bei denen klinisch die Erkrankung der Milz in den Vordergrund tritt und bei der Operation oder Nekroskopie nur eine solche, oder gleichzeitig eine Erkrankung der Leber, des Peritoneums in einer solchen Form nachweisbar war, daß die Erkrankung der Milz als die primäre zu betrachten ist, liegen vor. Allerdings wird man nach den heutigen Erfahrungen und dem einleitend Gesagten in der Deutung vorsichtig sein müssen. Die klinische Diagnose wird man trotz allem, das hierfür angeführt wurde, nur vermuten, nicht mit Sicherheit stellen können. Milztumor, Cyanose und Polycythämie können nicht als Symptomenkomplex für eine selbständige Milztuberkulose angesehen werden, und Tuberkulose mit sekundärer Milzbeteiligung zeigt keine ähnlichen Syndrome. Die Diagnose wäre allenfalls zu stellen: Aus einem Milztumor für den sich nach Prüfung aller Momente keine andere Ursache finden läßt (die Thrombose der Milzvene nicht zu vergessen), dem Bestehen des von Pel betonten Fiebertypus, und aus einer positiven Tuberkulinprobe. Aber was beweist diese? Wieder nur, daß sich im betreffenden Organismus ein Tuberkuloseherd befindet, ob er aber der Milz angehört, in dieser primär ist, bleibt fraglich. Mir sind eine Reihe von Milztumoren untergekommen, für die sich keine Ursache finden ließ, ich daher die Diagnose unbestimmt stellte. Von den Kollegen wurde meist Lues angenommen. Bei der Unsicherheit in der Pathogenese wird man auch günstige therapeutische Erfolge mit Behutsamkeit beurteilen müssen, ferner wird, da uns die Fälle zur Zeit einer fraglichen Exstirpation, weit vorgeschritten, grosser Tumor, unterkommen, selbst bei Annahme einer primären Milzerkrankung an die Möglichkeit einer bereits bestehenden Metastasierung und Aussichtslosigkeit operativen Vorgehens zu denken sein. Aus dem Umstande, daß klinisch meist nur eine Niere verändert erscheint, kann nicht gefolgert werden, daß diese Erkrankung eine primäre ist, sondern die erfahrensten Urologen sprechen sich für die meist sekundäre Natur des Leidens aus, obwohl der ältere Herd nicht immer oder nicht sicher nachzuweisen ist. Wenn es in einzelnen Fällen heißt: Nach mehreren Jahren wurde die andere Niere tuberkulös, so beweist dies wohl das Vorhandensein tuberkulöser Veränderungen im betreffenden Organismus und daß auch die anscheinend erst erkrankte Niere nicht das primär erkrankte Organ überhaupt gewesen sein muß. Es gibt eine primäre Nebennierentuberkulose. Aber es ist unmöglich, dieselbe klinisch nachzuweisen. Die Bronzefärbung der Haut ist nur der Ausdruck einer Erkrankung des chromaffinen Gewebes, somit für die in Frage stehende Erkrankung nicht charakteristisch, aber jedenfalls ein Fingerzeig nach der Nebennierenerkrankung zu forschen, worauf immer noch zu untersuchen wäre, ob diese primär und solitär ist, was für eine etwaige Therapie von Wichtigkeit sein könnte; ich will dies bei anderer Gelegenheit weiter ausführen. Casper sagt: Unzweifelhaft gibt es Fälle, in welchen die Blase als alleiniges und erstes Organ von der Tuberkulose befallen wird. Dies gilt ihm besonders für Frauen. Die Wege der Infektion erscheinen ihm unklar. Er hält ein vorausgehendes schädigendes Moment, besonders die Gonorrhoe, für verantwortlich. Am Genitale des Mannes kommt die Tuberkulose am Penis, namentlich im Gefolge der Beschneidung, dann am Hoden und Nebenhoden, hier nicht so selten, primär vor. Im günstigsten Heilresultate nach einer Kastration liegt aber wieder kein Beweis für die primäre Natur des Leidens. Beim Weibe gehört neben der selteneren primären Tuberkulose des äußeren Genitale, jene der Tuben und des Uterus nicht zu den Seltenheiten. Für letzteres besteht nur eine Verschiedenheit in den Anschauungen, ob sie descendierend oder ascendierend zustande komme. Als das häufigere nimmt man wohl die ascendierende Form an, durch tuberkulöse Orchitis und Epididymitis vom Manne her bedingt. Das Vorkommen einer einwandsfreien primären Tuberkulose der Brustdrüse erscheint zweifelhaft. Die primäre Erkrankung der Knochen und Gelenke ist sehr selten. Sie kommt exogen nach Verwundungen und sekundärer Infektion durch besondere Zufälligkeiten zustande. Sie wurde ferner in der Diaphyse langer Röhrenknochen und bei Kindern als tuberkulöse Osteomyelitis beobachtet. Jene dem Gelenkrheumatismus ähnliche, als Rheumatismus tuberculosus bezeichnete Erkrankung, deren Erkennung durch die multiple Gelenksaffektion besondere Schwierigkeiten darbietet, bedarf zu ihrer Anerkennung als selbständige Krankheitsform wohl noch einer vielseitigeren Beobachtung. Das primäre Auftreten der Tuberkulose in den Muskeln ist jedenfalls sehr selten. Der eine genauer beschriebene Fall ist dadurch ausgezeichnet, daß sich nach der Operation des ersten Tumors am Oberschenkel vielfältige Rezidiven gerade wieder im Muskelsysteme ausbildeten; ich erinnere an das mitunter ähnliche Verhalten im Drüsensysteme. Durch die Lumbalpunktion ist die Diagnose der Tuberkulose des Zentralnervenapparates für die meningealen Formen gesichert; die pathologische Anatomie lehrt aber, daß die primäre Form der Erkrankung unbedingt sehr selten ist. Während primäre Tuberkulose an allen Teilen des Auges und gar nicht so selten vorkommt, ist diese Form der Erkrankung am Gehörorgane wenig beobachtet. Sie kann von der Rachentonsille, von der Tuba her ihre Eingangspforte finden, möglicherweise auch vom Trommelfelle aus, es liegen aber auch Fälle von primärer Erkrankung des Os temporale und des inneren Ohres vor. Abgesehen von Lupus und den verschiedenen Tuberkuliden kommt Inokulationstuberkulose in Form von Knoten und Geschwüren, sowohl bei in verschiedener Weise verletzter oder erkrankter, als auch bei wenigstens anscheinend gesunder Haut vor, letzteres nach wiederholter oder intensiverer Einverleibung des Infektionsstoffes. Das tuberkulöse Sputum, der bazillenhaltige Stuhl, Unreinigkeiten des Bodens u. dgl. sind seine Träger. In Bezug auf die Tuberkulide und den Lupus erythematosus gehen die Anschauungen der Autoren über den diesen Formen in der Pathologie zukommenden Platz noch einander. aus Wie schon einleitend bemerkt, wird nach dem Gesagten das Schwergewicht in der Beurteilung des primären Sitzes der Tuberkulose wohl noch für längere Zeit dem pathologischen Anatomen zukommen, der Kliniker, und zwar gerade in den fraglichen Fällen, immer nur in begrenzter Weise ein Urteil über den Gang der Infektion und die primäre Lokalisation abgeben können. Die wertvolle Bereicherung, welche gerade in der letzten Zeit unsere Untersuchungsmethoden erfahren haben, werden gewiß auch diesem Gebiete zu Nutzen kommen. |